Cursillo. Eine Erfahrung.

von Peter Pawlowsky

Mein erster Cursillo war der letzte, den P. Josef Cascales offiziell gehalten hat. Ich war in eine persönliche Krise geraten und fragte mich, mit wem ich darüber sprechen könnte. P. Josef kannte ich nur flüchtig von einigen Treffen kritischer katholischer Journalisten. Ein Priester, der sich mit Journalisten trifft, dachte ich, kann für mich als Journalisten keine ganz falsche Wahl sein. Also traf ich ihn in der Bennogasse und schüttete ihm mein Herz aus. Zum Ende des Gesprächs fragte er mich, ob wir das Bekenntnis als Beichte verstehen sollten; er gab mir die Absolution und trug mir eine Buße auf.

Mit dieser Buße begann mein Staunen darüber, wie eine offizielle kirchliche Handlung auch verstanden werden kann. Denn zur Buße, sagte P. Josef, soll ich mir etwas Gutes tun. Ob ich gern Bier trinke? Ja, sagte ich, und ging ins nahe Cafe Hummel und gönnte mir ein Krügel Bier. Diese Art von Buße stellte meine von Kindheit an gemachte Kirchenerfahrung auf den Kopf. Und das war erst der Anfang.

P. Josef lud mich ein, an dem schon wenige Tage nach unserem Gespräch geplanten Cursillo teilzunehmen. Ich hatte keine Ahnung, was ein Cursillo ist, hegte eher die Vermutung, dass aus Spanien nur die Inquisition und das Opus Dei importiert würden. Allerdings: P. Josef passte nicht in das Klischee meiner Vorurteile. Ich nahm die Einladung an und fand mich am 24. Mai 2001 in Laxenburg ein.
Ich brauche nicht zu erzählen, wie ein Cursillo abläuft. Schon allein eine Gruppe zu haben, in der man über seinen Glauben (und seine Zweifel) offen sprechen kann, empfand ich als Gewinn. Nun wurde die Initialzündung, meine Bierbuße, mit den Leitworten Liebe, Freude, Freiheit zu einer neuen Glaubenserfahrung. Als Katholik seit der Taufe wusste ich wohl, dass die Liebe zum Zentrum christlichen Glaubens gehört. Aber dieses Wissen war mir im Kopf stecken geblieben, hatte das Herz noch nicht erreicht.
Der Grund dafür ist in den beiden anderen Leitworten zu suchen. Ich möchte nicht behaupten, dass ich Freude bis dahin gegen kirchliche Vorschriften gesucht hatte, wohl aber neben ihnen, an ihnen vorbei, weil ich nicht sehen konnte, was ernstes, strenges Leben in der Kirche mit Freude zu tun haben soll. Das gilt noch mehr für die Freiheit. Soviel ich auch in sechzig Jahren an Wissen und Spiritualität durch die Kirche gewonnen hatte, das Bewusstsein von Freiheit hatte sich nicht wirklich eingestellt. Zu sehr standen Vorschriften und Verbote im Vordergrund und immer noch war da eine Spur schlechten Gewissen bei ihrer Übertretung.

 

Und nun verstand ich: Es kann keine freudlose und gefesselte Liebe geben, nur Freiheit und Freude bringen die Liebe zum Blühen. Dafür gibt es höchst banale Zeichen: das Bier, wie schon gesagt, oder die Witze, die in den Pausen des Cursillo erzählt werden und die ich bis dahin in einer geistlichen Veranstaltung für deplaziert gehalten hätte. Nicht so banal und erst durch den Cursillo verständlich wurde mir ein anderes Phänomen.

Ich begann, an P. Josefs Cursillo-Zeitschrift „Evangelium heute“ mitzuarbeiten und staunte, wie darin tiefe Frömmigkeit und offene Kirchenkritik Thema sein konnten. Und zwar nicht etwa kontrovers, in einer Streitkultur gegensätzlicher Meinungen. Nein, aus der Feder ein und desselben Autors. P. Josef verbindet beides in sich, ist die begehbare Brücke zwischen Glaube und Kritik. Das alles hätte ich ohne den Cursillo und seinen Anstifter vor fünfzig Jahren kaum mitbekommen.

Dr.Peter Pawlowsky; Studium der Literatur und Philosophie, sieben Jahre Leiter der Abteilung „Religion“  im ORF Fernsehen. Bis 2000 Päsentator von „kreuz+quer“. Mitglied des Programmbeirates von „Arte“.