An die Ränder gehen
Führung in Wien mit einem Backstreet-Guide.
Wer weiß, wo in Großstädten obdachlose Kinder leben?
Wer bemerkt die Drogen dealenden Jugendlichen in den Parks?
Wer nimmt wohnungslose Frauen wahr?
Bei unserem Treffen der Cursilo-Mitarbeiter:innen Österreichs in Wien vom 7.-9. Oktober 2022 durften wir eine besondere Art der Stadtführung mitmachen.
Nicht Museen, Kirchen, oder prächtige Bauten waren das Ziel unserer „Stadtführung“, sondern Plätze, denen man eher ausweicht, Parks, in denen Drogen gehandelt werden, Orte, wo heimatlose Jugendliche übernachten, oder Häuser, wo Frauen in Not unterkommen können.
Backstreet-Guides sind Menschen, die selbst eine schwere Kindheit und Jugend hatten und im Leben mehrere Anläufe benötigten, um wieder auf die Beine zu kommen, oft durch eigene Ausdauer und Überlebenswillen, manchmal durch Hilfe von wohltätigen Institutionen oder durch Firmenchefs, die einem noch einmal eine Chance geben.
Sandra, in Begleitung ihres Hundes, hat uns zwei Stunden durch Wien geführt. Sie selbst hat mehr in ihrem Leben durchgemacht, als sich der Durchschnittsbürger vorstellen kann: Vernachlässigung in der frühen Kindheit, Gewalt in Familie und Erziehungsheimen, als 10jährige einige Monate Überleben im Park, Arbeitsplatzverluste, Leben als Obdachlose, und vieles mehr.
Nun hat sie es geschafft herauszukommen und so viel Selbstvertrauen zu gewinnen, dass sie mit anderen ehemals oder noch immer Obdachlosen in mehreren Städten Europas vernetzt ist und sich für Menschen, die ein ähnliches Schicksal haben, einzusetzen. Sie führt nun regelmäßig Gruppen in Wien, um die Situation von Obdachlosen bekannt zu machen, und um auch politisch etwas zu bewegen.
Papst Franziskus ermutigt uns, an die Ränder zu gehen. Nach dieser Führung gingen wir in unsere wohlige Welt zurück, jedoch klüger und hoffentlich aufmerksamer, was die oft unsichtbare Not vieler Menschen betrifft. Ich kann nur sagen: Jeder sollte einmal an einer solchen Tour teilnehmen.
P. Maximilian